Vente: 273 / Rare Books 18/19. novembre 2002 Lot 1428




1428
Schriftsteller/Reichsschrifttumskammer
Slg. Autographen. 10 Tle. (Bergengruen/Nossack/Kästner/Kasack/Edschmid/Zuckmayer/Jünger/Hausmann)
Estimation:
€ 600 / $ 642
Résultat:
€ 834 / $ 892

( frais d'adjudication compris)
8 Schriftsteller-Autographen mit Stellungnahme zur Reichsschrifttumskammer. Aus den Jahren 1963-67.
Interessante und aufschlußreiche Antwortbriefe auf eine Anfrage von Jürgen Meyer in Kiel, der eine Dissertation über die Reichsschrifttumskammer des Dritten Reiches plante und eine Reihe von Autoren um Auskunft darüber gebeten hatte, in welchem Verhältnis sie zu dieser Institution gestanden hätten.
Vorhanden (in chronolog. Reihenfolge):
Bergengruen, Werner, 1892-1964. Masch. Brief m. U. und eigh. Brief m. U. Baden-Baden, 18. X. 1963. 2 S. 4to. – Über die Reichsschrifttumskammer im allgemeinen und Erich Kästner im besonderen. "... Im Falle Erich Kästners wird die Sache so gewesen sein, daß ihm der Eintritt in die Schrifttumskammer verweigert wurde oder daß er ihn erst gar nicht beantragt hat, wohl wissend, dass er unvermeidlicherweise auf Ablehnung stoßen mußte. Er galt den Nazis von jeher als ein 'zersetzender Asphaltliterat', wie die damals beliebte Vokabel lautete, und das war etwas Aehnliches wie ein 'entarteter Künstler' - ein Titel, mit dem bekanntlich die größten Maler und Bildhauer unserer Zeit belegt wurden. Im Einzelnen bin ich über Kästners Angelegenheit nicht informiert ... Ich selbst wurde 1937 aus der Schrifttumskammer ausgeschlossen. Begründung: „da Sie nicht geeignet sind, durch schriftstellerische Veröffentlichungen am Aufbau der deutschen Kultur mitzuarbeiten ...“
Nossack, Hans Erich, 1901-77. Masch. Brief m. U. (Darmstadt), 13. II. 1964. 1 S. 4to. –
“… Mit mir ist die Sache so: ich wäre ziemlich genau 1933 über dem literarischen Horizont aufgetaucht; es war alles vorbereitet. Da kam Hitler. Von 1930 bis 33 hatte ich [mich] sehr aktiv politisch betätigt. Das wusste man natürlich, und so war ich in ziemlicher Gefahr. Ich trat in die Firma meines Vaters ein und wurde ein 'ehrbarer' Kaufmann. Eine Art Emigration also. Ich bildete mir ein, dass man mich vergessen würde. – 1914 etwa versuchte dann Peter Suhrkamp mich trotzdem literarisch in Gang bringen ... Dann wollte Suhrkamp einen Gedichtband von mir bringen, aber er bekam vom Propaganda-Ministerium die Antwort: 'Leider kein Papier'. Das war damals die höfliche Ablehnungsform für die Kategorie 'Unerwünscht'. Dann war sowieso Schluss; Suhrkamp kam ins Kz und mir verbrannte alles ... Eine wissenschaftliche Arbeit darüber ist sicher von Interesse. Wir Älteren denken natürlich nur mit Hass an solche Institutionen und jede Art ideologischer Vorzensur. – Aber es muss auch anständige Leute da gegeben haben. Ich denke da z. B. an Richard Meyer (Munkepunke) ..."
Kästner, Erich, 1899-1074. Eigh. Brief m. U. Agra/Lugano, 17. II. 1964. 2/3 S. 8vo. Mit eigh. Umschlag. – " ... daß ein Schriftsteller, wie z. B. ich, während des 3. Reichs nicht emigrierte und nicht in der RSK war, dürfte in der Tat nicht häufig gewesen sein. (Ich hatte ja Berufsverbot und war schon deshalb nicht in besagter Organisation). Daß Kollegen die Mitgliedschaft anstrebten und erwarben, auch wenn sie keine Zeile 'pro' schrieben, ist aus wirtschaftlichen Gründen durchaus erklärlich ..."
Kasack, Hermann, 1896-1966. Masch. Brief m. U. Stuttgart, 28. II. 1964. 1 S. 4to. – "… Mitglied der Reichsschrifttumskammer zu sein, die ja keine Parteiorganisation war, habe ich niemals als Kompromiß empfunden. Auch andere Autoren nicht, die sich der Partei gegenüber ablehnend verhielten. Belastender für das Gewissen war die Frage, dem gleichgeschalteten PEN weiter anzugehören ..."
Edschmid, Kasimir, 1890-1966. Masch. Brief m. U. und eigh. Nachtrag. Darmstadt, 25. I. 1964. 1 S. 4to. – "… ich lebte die meiste Zeit in Italien und erhielt eines Tages die Mitteilung, dass sämtliche Mitglieder des Schutzverbandes Deutscher Schriftsteller in die Reichsschrifttumskammer übernommen worden seien, also auch ich, ohne irgendwelche Schwüre oder Bedingungen, ausser, wenn ich nicht irre, dass der Betreffende keine revolutionäre Bewegung gegen das Regime machen würde. Das war für jedermann zu lachen ..."
Zuckmayer, Carl, 1896-1977. Masch. Brief m. U. Saas-Fee, 20. I. 1965. 1 S. 4to. – "… ein Brief aus Kiel weckt in mir nur heitere und amüsante Jugenderinnerungen. Ich habe den damaligen Skandal, der bis zum gewissen Grad von mir selbst verursacht war, niemals ernst genommen und denke mit Freude an die abenteuerliche Zeit meines kurzen Kieler Theaterlebens zurück ... Ausser Erich Kästner gab es noch Reihe deutscher Schriftsteller, die natürlich den Mund halten mussten, aber nicht mitmachten ... Das Komplizierte an der Beurteilung dieser Zeit ist es ja, dass in vielen Fällen die Zugehörigkeit zu einer offiziellen Körperschaft nichts über die wirkliche Gesinnung und Handlungsweise eines Menschen besagte ..."Jünger, Ernst, 1895-1998. Masch. Brief m. U. Wilfingen, 2 II. 1965. ½ S. 4to. "... Über die damalige Situation Ausführungen zu machen – dazu fehlt es mir leider an Zeit. Mich beschäftigen Gegenwart und Zukunft mehr. – Näheres findet sich in 'Strahlungen', besonders dem 6. Teil 'Jahre der Okkupation' ..."
Haussmann, Manfred, 1898-1967. 2 eigh. Briefkarten m. U. O. O., 2. I. 1967 und 22. IX. 1968. 1 ½ S. Quer-8vo. – Ohne weitere Angaben zum RSK, kündigt Meyer lediglich seine Hilfe an. Die zweite Karte an Meyers Ehefrau bezüglich einer Paketsendung.




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Schriftsteller/Reichsschrifttumskammer
Slg. Autographen. 10 Tle. (Bergengruen/Nossack/Kästner/Kasack/Edschmid/Zuckmayer/Jünger/Hausmann)
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